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Die schönsten Comics des Landes kommen aus Kassel. Rotopolpress heißt der Verlag, Studenten der dortigen Kunsthochschule haben ihn 2007 gegründet und führen ihn seitdem mit einem beeindruckend guten Händchen für außergewöhnliche Produkte.

Das ist nicht nur eine Einzelmeinung, sondern seit Kurzem amtlich: Markus Färbers „Reprobus“, im letzten Jahr erschienen, schaffte es als einziger Comic auf die Liste der 25 schönsten deutschen Bücher (pdf), ausgewählt von der Stiftung Buchkunst. Die Stiftung schreibt in ihrer Begründung unter anderem:

“Es ist eine neue, eigene Erzählung des Autors und Zeichners zum Ursprungsmythos der Christophorus-Legende – ikonografisch angereichert, verwoben, rätselhaft, ja geradezu bildmagisch inszeniert. Überraschend, wie jahrhundertealter Erzählstoff, in der heutigen säkularen Welt als Märchen und Schummel in Vergessenheit geratend, zu dieser poetischen, modernen und künstlerischen Form umgearbeitet wurde. Die reduzierte Farbigkeit kündet das innere ungewöhnliche Farbklima mit starker Tiefen- und Lichtwirkung an, in dem haptischen Erlebnis des weichen und dennoch robusten Papieres versucht man, die Bilder zu begreifen.”

…und fasst damit noch einmal (in schöneren Worten) zusammen, was ich an den Veröffentlichungen von Rotopolpress so bemerkenswert finde: Die professionelle Bildsprache und das dramaturgische Geschick auf Autorenseite sowie die Beherrschung des Büchermachens als Handwerk auf Seiten des Verlages. Diese drei Talente kommen hier auf derart hohem Niveau zusammen, wie es bei Independentverlagen, zumal im deutschsprachigen Raum, selten ist.

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Die Bilder zeigen neben dem schon erwähnten „Reprobus“ Ausschnitte aus Jesse Jacobs’ im Mai erschienenen und nicht minder großartigen Band „Hieran sollst du ihn erkennen“, der detailverliebten Schilderung eines alternativen Schöpfungsmythos, voll mit rätselhaften Gestalten und Geschehnissen. Überhaupt ist die Vorliebe für mythologische, religiös inspirierte Stoffe auch bei anderen Titeln auffällig: Markus Färbers „Reprobus“ variiert, wie schon erwähnt, die Christopherus-Legende, Michael Meyers „Inferno“ zeigt uns Dantes Höllenphantasien, Max Baitinger widmet sich der Geschichte Heimdalls.

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Das könnte unangenehm sein, vor allem für gottlose Menschen wie mich, wenn es denn mit dem üblichen pathosgeschwängerten und frömmelnden Duktus daherkäme. Tut es aber nicht. Als Steinbruch für einfallsreiche Erzähler sind die alten Geschichten dagegen wunderbar geeignet. Rotopol und seine phantastischen Autoren beweisen es.

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