amazon.de verkauft weiterhin antisemitische Literatur von Holocaustleugnern

amazon_teaser2

Nehmen wir einmal an, bei Ihrem Lieblingsbuchhändler würden Sie plötzlich merkwürdige Dinge im Regal entdecken. Revisionistische Literatur, antisemitische Verschwörungstheorien, verklärende Erinnerungen von SS-Offizieren, Bücher, in denen der Holocaust bestritten wird. Und nicht nur das: Der Händler würde Ihnen ungefragt weitere, ähnliche Bücher empfehlen und ließe dazu andere Kunden zu Wort kommen, die sich überschwänglich äußerten über diese Machwerke.

Was würden Sie tun? Weiterhin dort einkaufen? Oder würden Sie diesem Laden stattdessen final auf die Fußmatte kotzen und ihn künftig nie wieder betreten?

Interessante Frage. Aber kommen wir nun zu etwas ganz anderem. Kommen wir zu Amazon.

Bei Amazon können Sie eine Vielzahl an Büchern des oben genannten Themenspektrums kaufen. Dieser Vorwurf ist nicht neu. Bereits vor fünf Jahren schrieben zahlreiche Medien darüber; die Zeit und das Handelsblatt seien beispielhaft genannt. Damals sah sich Amazon aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, zumindest die Bücher des NPD-Verlages „Deutsche Stimme“ auszulisten. Echte Lehren schien man jedoch nicht gezogen zu haben, denn im vergangenen Jahr kam das Thema erneut auf (Beispiele: Stern, Ruhrbarone). Amazons Verteidigung beruhte dabei stets auf zwei Argumenten:

  1. „Es gibt eine Nachfrage dafür, die wollen wir befriedigen.“ (O-Ton gemäß Handelsblatt)
  2. Amazon ist „nicht der Anbieter von Produkten, die von Dritten über den Amazon.de Marketplace angeboten werden, sondern stellt dafür lediglich die Plattform zur Verfügung.“ (O-Ton gemäß den Ruhrbaronen)

Das erste Argument mag jeder für sich bewerten. Das zweite Argument ist eine Lüge stammt aus der beliebten Kategorie „Überspezifisches Dementi“: Mag ja sein, dass man den Marketplace nicht vollständig kontrollieren kann. Dort muss man aber gar nicht hingehen, um den Rotz zu finden. Ich möchte das mit einigen Beispielen verdeutlichen, die eben nicht aus dem Marketplace stammen, sondern durchweg aus dem Amazon-eigenen Sortiment. Im Klartext: Nicht ominöse „Dritte“ sind es, die diese Bücher anbieten, sondern Amazon selbst. Und zwar, um genau zu sein, amazon.de. Die Screenshots stammen vom 9. und 10. Juli 2014; ein Klick auf die Vorschaubilder vergrößert sie.

Los geht’s:

ama1

Der Autor dieses Buches ist ein rechtskräftig verurteilter Holocaustleugner (Quelle), das Buch erscheint im Eigenverlag (Quelle). Es ist nicht das einzige Buch dieses Verlages, das Amazon in seinem Sortiment führt. Und niemand soll bitte angesichts der Titel sagen, dass man ja nicht ahnen könne, was sich dahinter verbirgt:

ama11

Wie man erkennt, sind alle Bücher lagernd verfügbar. Dieses hier zum Beispiel auch:

ama12

Und weiter:

ama4

Dieser Autor ist ein ehemaliger NS-Funktionär, über den Wikipedia schreibt, dass seine Publikationen „durchzogen [sind] vom Antisemitismus völkisch-nationalistischer Propaganda, der Weißwäsche von Wehrmacht und Waffen-SS sowie anderer NS-Organisationen. [Sie] bilden auch heute noch einen festen Bezugspunkt für Rechtsextremisten.“ Der Verlag wurde vom ehemaligen stellvertretenden Reichspressechef der NSDAP gegründet; die übergeordnete Verlagsgesellschaft wird vom Verfassungsschutz „als einer der bundesweit größten und wichtigsten organisationsunabhängigen rechtsextremistisch geprägten Verlage“ bezeichnet, ihr Geschäftsführer wurde wegen Volksverhetzung verurteilt (Quelle). Für Amazon kein Grund, die Werke dieses Verlages nicht im Sortiment zu führen:

ama5

Reicht es schon? Oh nein:

ama10

Auch dieser Autor hat sich als Holocaustleugner hervorgetan (Quelle). Eines seiner Bücher wurde von der BPjM indiziert, was Amazon allerdings nicht davon abhält, dem Autor weiter Umsätze zu bescheren. Da ist sogar der Nazi überrascht:

ama13

Und er irrt, denn natürlich siegt die „Gier der Kapitalisten“ über das, war er „politische Zensur“ nennt: Amazon hat den nicht verfügbaren Artikel offenbar flugs nachbestellt.

War es das? Noch lange nicht. Ein weiteres Beispiel:

ama9

Zur Abwechslung mal ein Autor aus der katholischen Fundamentalistenszene (Quelle). Welcher ethnoreligiösen Gruppe die angeblichen Satanisten überwiegend angehören – ich glaube, da kommen Sie selbst drauf. Und die Tatsache, dass dieses Buch in Frankreich als antisemitisch indiziert ist, hindert Amazon noch lange nicht daran, es als eBook in seine Kindle Edition aufzunehmen.

„Nur noch 1 auf Lager (mehr ist unterwegs).“

Um es noch einmal klar zu sagen: Wir reden hier nicht über ein paar wirre Verschwörungstheoretiker, die man der Vielfalt wegen im Sortiment hat. Wir reden auch nicht über den Marketplace, für den Amazon nur die Abwicklungsplattform bietet und auf dem schon mal was durchflutschen kann. Und wir reden nicht über Amazon US, bei denen die Toleranz gegenüber Inhalten, die hierzulande wenigstens unter Strafbarkeitsverdacht stehen, erfahrungsgemäß größer ist.

Nein, wir reden davon, dass Amazon Deutschland selbst und auf eigene Rechnung antisemitische und den Holocaust leugnende Bücher verkauft. Die oben gezeigten Exemplare sind lediglich Beispiele. Amazon selbst bezieht diese Bücher und ordert bei entsprechender Nachfrage auch gerne nach. Amazon selbst legt die Bücher in sein eigenes Lager. Amazon selbst packt sie ins Paket und macht, wenn der Kunde es wünscht, auch noch eine schicke Schleife darum und legt eine Grußkarte bei. Und wenn es arg pressiert, sorgt Amazon selbst dafür, dass das Buch per Express geliefert wird.

Über eine mögliche Strafbarkeit solchen Tuns möchte ich nicht spekulieren. Ich bin juristischer Laie und weiß nicht, ob die Verbreitung derartiger Machwerke erlaubt ist. Ich weiß auch nicht, ob die Forenhaftung für Amazon-Kundenrezensionen greift. Das ist mir auch relativ egal. Unabhängig von juristischen Fragen habe ich mit Blick auf mein künftiges Kaufverhalten jedoch ein ganz persönliches Fazit gezogen.

Und ich wünschte, Sie würden das auch tun.

Kategorien: Allgemein

3 Kommentare

  1. Interessant. Umso schneller werden unliebsame Verlage oder bestimmte Autoren ausgelistet, weil diese nicht genug Rabatt einräumen. Da geht es ganz fix.

  2. Wenn man bei Amazon nicht mehr kaufen soll, weil da in homöopathischer Menge anscheinend extrem rechte bis rechtsextreme Bücher gelistet sind, soll man dann auch nicht mehr bei Wahlen abstimmen, weil da offiziell und legal extrem rechte bis rechtsextreme Parteien wie DVU, NPD, Republikaner und Die Rechte zur Wahl gelistet sind? Die Partei “Die Rechte” wird offiziell von Christian Worch angeführt. Gegen den scheinen die o.g. Autoren ziemliche Waisenknaben zu sein. Pfui, In so einem Umfeld will man doch nicht sein Kreuz platzieren. Solche Themen und Ansichten sind aber offenbar verfassungsgemäß und das kann und muss man in einer Demokratie dann aushalten.

    Hier wird im Prinzip Zensur gefordert. Ein Ansatz, der in Zeiten des Internets ohnehin völlig disfunktional ist. Der am Eingang gemachte Vergleich des Lieblingsbuchhändlers mit Amazon ist hanebüchen. Ersterer hat vielleicht 5.000 Titel im Laden – meistens die verkaufsstärksten, wozu so ein rechter Müll (glücklicherweise) nicht gehört. Amazon hat mehr als 35 Millionen Bücher gelistet. Ich habe jetzt nicht alles geprüft, aber einige der genannten Bücher scheinen auch bei anderen Online-Buchhändlern gelistet zu sein.

    Alles in allem erscheint das dann als ziemlich seichter Versuch des gerade angesagten Amazon-Bashings. Ich will keinesfalls pro Amazon lobbyieren, aber ich habe schon die Kritik bezüglich der Löhne nicht verstanden. Ich fände es hilfreich, wenn sich die Amazon-Kritik auf die wirklich validen Bereiche konzentriert. Und das scheint mir der zunehmende Missbrauch der Marktmacht zu sein. Auf Nebenschauplätzen mit möglichst viel Dreck zu werfen, in der Hoffnung, das etwas hängen bleibt, ist nicht konstruktiv.

  3. Das Beispiel mit den Wahlen finde ich unnötig polemisch. Die NPD wird von demokratischen Parteien bekämpft, ein Verbot steht nicht umsonst im Raum. Auch sind Vertrieb und Verkauf von NS-Schriften und antisemitischen Schriften schon heute reglementiert und in den meisten Fällen verboten. Das mag man Zensur nennen, ich tue das nicht.
    Blogs bieten die Möglichkeit, Aspekte aus allen möglichen Perspektiven zu beleuchten. Lohndebatte, Steuerflucht und Monopolbildung sind dabei nur einige mögliche beim Stichwort Amazon, die alle in ein Gesamtbild einfließen. Daß Amazon sehr genau weiß, was es tut (und ob das im “Promillebereich” passiert, ist unerheblich, wenn es um Haltungsfragen geht). Das sieht man daran, daß eben viel NS-Material bei Amazon.com ganz selbstverständlich angeboten wird, bei Amazon.de aber nicth, weil die Rechtslage eine andere ist. Das alles juckt den einen mehr als den anderen. Ich finde es interessant.

    Wie in meinem ersten Kommentar angerissen: Im Auslisten von Verlagen und Autoren, die nicht mitspielen wollen, ist Amazon ganz schnell, getreu dem Motto, man möchte “den besten Service” bieten. So sieht’s aus.

Schreibe einen Kommentar zu Guido Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Copyright © 2024 Borrowfield

Theme von Anders Norén↑ ↑