Wie ich einmal die ZEIT kaufen wollte (Artikel enthält Abschweifungen)

Vor kurzem schrieb Christian Buggisch über seine Erfahrungen mit einem anderen Verlagshaus:

Alle diskutieren über die Zukunft des Journalismus, über Digitalstrategien von Verlagshäusern und drehen das ganz große Rad. Dabei scheitern Leserbindung und Kundenzufriedenheit daran, woran sie schon immer gescheitert sind: an Werbung, die einen für dumm verkaufen will, und an beschissenem Service.

Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen. Höchstens dies:


Da lag ich also fiebernd im Bett, mit dem E-Reader in der Hand und dem Smartphone neben mir, und dachte: Jetzt die ZEIT lesen, ohne das Bett verlassen zu müssen – das wäre prima! Dass es die ZEIT im EPUB-Format gibt, wusste ich, seit mir vor langer Zeit einmal ein Exemplar in einer dunkleren Ecke des Netzes über den Weg gelaufen war. Aber jetzt war alles anders, jetzt wollte ich mir gerne eine nagelneue Ausgabe kaufen, also richtig Geld ausgeben, auf dass die Klagen der Verlage ein wenig leiser an mein empfindsames Ohr drängen mögen.

Und weil wir das Jahr 2014 schreiben, stellte ich mir das ganz leicht vor: Mit dem Smartphone bezahlen, Datei runterladen und via Cloud oder Bluetooth auf den Reader schieben. Fertig.

Nun ja. Was folgte, war eine lange Reihe von Dafuq-Momenten:

Es begann damit, dass die Mobilansicht von zeit.de keinerlei Links zu Kaufangeboten beinhaltet. Erstaunlich. Ich vermute, das diese Entscheidung das Ergebnis einer hochgeheimen Marktanalyse ist, die besagt, dass Mobilnutzer ohnehin zu wenig kaufkräftig sind, um sie mit kostenpflichtigen Angeboten zu belästigen.

Später musste ich allerdings feststellten, dass ich etwas übersehen hatte: Ein Werbebanner! The most ignored Werbeform on the wordwide Internetz! Ernsthaft: Es gibt ein wechselndes Werbebanner am oberen Rand von zeit.de. Und wenn man die Seite nur oft genug aktualisiert, erscheint irgendwann auch mal ein Banner für „Die digitale Zeit“. Nur mal nachgefragt: Wann haben Sie sich denn zuletzt Werbebanner aufmerksam angesehen und vielleicht sogar draufgeklickt?

(Ich schweife mal kurz ab: Ein anderer, sporadisch erscheinender Werbebanner verweist auf shop.zeit.de. Diese Seite bringt meinen Browser (Safari unter iOS 7.1) zuverlässig und hundertprozentig reproduzierbar zum Absturz.)

Die fehlenden Links sind für geübte Googler kein Problem: Eine Suche nach „zeit ebook“ empfiehlt als ersten Treffer www.zeit.de/angebote/ebook. Diese Seite sieht am Smartphone so aus:

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Probieren wir also den zweiten Google-Treffer namens premium.zeit.de. Und tatsächlich, auf dieser Seite, die es offenbar nur im Desktop-Layout gibt, bin ich richtig: „Die ZEIT für E-Reader“ wird mir da angeboten.

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Allerdings möchte man mir die Zeitung in diesem Format nur verkaufen, wenn ich ein Abo abschließe. Einzelausgaben bietet man ausschließlich als PDF an, im original ZEIT-Layout. Dieses Format ermögliche, so wird behauptet, einen „bequemen Lesemodus“. O Rly? Eine Zeitung mit dem Maßen einer durchschnittlichen Hamburger Wohnküche, mit teilweise fünfspaltigem Layout, mit eingestreuten Infografiken und -kästen, mit „Lesen Sie bitte auf Seite XX weiter“-Unterbrechungen, eine solche Zeitung also auf einem deutlich kleineren Display zu lesen, soll „bequem“ sein? Please!

In der Hoffnung dass man vielleicht doch irgendwo ein Häkchen für EPUB setzen könne, klicke ich auf das (Sie ahnen es bereits:) Werbebanner. War aber nix. Über eine nur so mittelschön aussehende Seite werde ich zum Paypal-Bezahlvorgang weitergeleitet.

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Dort finden sich so rätselhafte Sätze wie „Wenn Sie die Ausgabe am Monitor durchblättern möchten, wählen Sie bitte auf der Bestellbestätigungsseite von Paypal die Funktion “zurück zum Anbieter”.“ Und überhaupt wirkt der gesamte Bestellvorgang so lieblos und nachlässig zusammengeklöppelt, dass es kaum verwundert, den Auftritt nicht in den Referenzen der betreuenden Agentur wiederzufinden. Die ZEIT verwendet, um noch einmal abzuschweifen, das Abwicklungssystem Copyclick der Hamburger Firma Picturesafe (einen „Eckpfeiler moderner Vertriebsstrategie“) und ist offenbar deren letzter verbliebener Kunde, während die Webseiten des Anbieters bereits abgeschaltet wurden oder zum Kauf angeboten werden. Und ganz leise huscht ein Tumbleweed durchs Bild.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Die ZEIT will mir eine digitale Einzelausgabe nur im denkbar ungeeignetsten Format verkaufen, obwohl es Alternativen gibt. In benutzbarer Form bekommt man die Zeitung jedoch nur, wenn man ein Abo abschließt. Wäre das nicht auch eine schöne Idee für die Offline-Ausgabe? Einzelexemplare werden künftig in Comic Sans gesetzt, Garamond gibts nur für Abonnenten? Nicht?

Da ich grundsätzlich daran glaube, dass es für die meisten Handlungen der Menschen einen Grund gibt, versuche ich stets, solche Phänomene nicht sofort mit „allgemeiner Beklopptheit“ zu erklären. Stattdessen suche ich nach den Motiven. Aber hier bin ich ratlos. Glaubt man, mich auf diese Art für ein Abo zu begeistern? Ist man so stolz auf das Layout, dass man den Inhalt nicht von ihm trennen mag? Braucht man dahergelaufene Spontankäufer wie mich vielleicht gar nicht?

Ich weiß es nicht. Aber ich habe hier vier Euro. Also, liebe Verantwortliche der ZEIT: Was soll ich damit tun?


Nachtrag, 23.10.14

In den Kommentaren wurde ich auf die Zeit-App hingewiesen, und in der Tat hatte ich diesen Aspekt vergessen zu erwähnen: Natürlich hatte ich mir die App installiert, in der Hoffnung, darüber die gewünschte Ausgabe kaufen zu können, was aber ebenfalls nicht klappte, denn die App zeigt im Grunde nichts anderes als die Website an, nur halt nicht im Browser. In-App-Käufe sind nicht möglich. Die Sinnhaftigkeit einer solchen App ist wieder ein ganz eigenes Thema, das ich hier nicht vertiefen möchte.

Nun musste ich lernen, dass man einfach die „richtige“ App installieren muss. Und tatsächlich ist im App Store noch eine alte Version verfügbar, deren Benutzung nicht mehr empfohlen wird („Wir empfehlen Lesern von ZEIT ONLINE den Umstieg auf die neue ZEIT ONLINE App“, heißt es dazu) und die den Kauf & Download der Zeitung in einem Format ermöglicht, das auf iPhone und iPad sehr komfortabel zu lesen ist. Das ist zwar nicht exakt, was ich wollte, aber immerhin.

Nur mein Logikmodul sprüht mal wieder Funken: Warum, zum Henker, bringt man eine neue App heraus und nimmt ihr die einzige umsatzbringende Funktion der bisherigen App? Ganz abgesehen davon, dass die alte App insgesamt deutlich mächtiger und umfangreicher daherkommt: Welcher Gedanke steckt dahinter, eine funktionierende Bezahloption mal eben ersatzlos zu streichen? Ich verstehe das alles nicht.

Nachtrag, 24.10.14

Ich musste doch kurz lachen: Da mich die Frage umtrieb, warum die ZEIT nicht im hauseigenen Webshop vertrieben wird, zusammen mit den Dutzenden anderen eBooks, die dort erhältlich sind, schaute ich mich in besagtem Webshop mal ein wenig um: Für alle eBooks (!) bedingt man sich „Lieferzeit 5 – 10 Tage“ aus. Die Angabe einer postalischen Lieferanschrift ist Pflicht. Aber immerhin ist die Lieferung versandkostenfrei und erfolgt mit DHL.

Naja, muss ja jeder selber wissen.

Kategorien: Allgemein, Medien

8 Kommentare

  1. … Über den App-Store und die (richtige) ZEIT-App kannst Du eine Ausgabe für 4,49 Euro kaufen und SEHR bequem lesen…

    • @1_Chris: Würde in meinem Fall nix nützen (im genannten eventuell auch nicht), wenn mit einem “externen” Reader gearbeitet wird (in meinem Fall z.B. ein Sony PSRT. ) Also das Smartphone nur zum runterladen nutzen, nicht auf dem Smartphone lesen (längere Texte als Twitter lese ich nicht auf meinen iphone 5, alles andere gibt Augenkrebs)

    • Danke für den Hinweis auf die “richtige” App. Da muss man erstmal drauf kommen. Das löst zwar mein Problem nicht wirklich (das Lesen langer Texte auf dem Smartphone finde ich schrecklich), fügt dem Thema aber noch eine neue, bizarre Note hinzu. Ich habe den obigen Beitrag entsprechend ergänzt.

  2. Lieferzeit 5-10 Tage? Verstehe ich.
    Da kommt ein reitender Bote vorbei und bringt dir die eBooks, alle schön auf Disketten.
    Internet ist ja kanzlerunbestätigtes Neuland für viele.

  3. Sehr geehrter TWSCHNEIDER,

    vielen Dank für Ihr Feedback zur digitalen ZEIT. Auch wenn dieses schon etwas älter ist, möchte ich auf ein paar von Ihnen genannte Aspekte eingehen, da wir mittlerweile einige Verbesserungen herbeigeführt haben:

    1. Mit dem Smartphone bezahlen: Im Frühjahr haben wir unseren Shop https://premium.zeit.de einem Relaunch unterzogen, sodass dieser aufgrund seines Responsive Designs nun auch mobil gut nutzbar ist. Eine „Pay per Click“-Funktion können wir Ihnen aktuell noch nicht anbieten, allerdings lässt sich die Bestellstrecke nun gut mit dem Smartphone nutzen und als Zahlungsoptionen Rechnung, Kreditkarte oder BEZ wählen.

    2. Links zum Digital-Produkt auf http://www.zeit.de: Wenn Sie http://www.zeit.de nun mobil aufrufen oder als App nutzen, finden Sie auf der Startseite unter dem Politik-Ressort einen Teaser, der auf die Abo-Angebote hinweist. Mit Klick auf den Teaser können Sie wählen, ob Sie die digitale ZEIT oder die Print-ZEIT testen möchten.

    3. Mobil-Optimierung von https://premium.zeit.de: Siehe Punkt 1.

    4. Einzelverkauf des EPUB-Formates: Leider ist dies bisher nicht möglich – wir arbeiten daran. Es gibt aber Alternativen:

    Derzeit können Sie ein digitales Probeabo über 5 Wochen für nur 4,95 € abschließen. In diesem Abo ist das EPUB inklusive: http://www.zeit.de/99cent. Nach Ablauf der 5 Wochen erhalten Sie das Digital-Abo zum regulären Preis. Wenn Sie dies nicht möchten, kündigen Sie formlos innerhalb der 5 Wochen. Im Probeabo sind auch alle anderen Formate enthalten.

    Sie erwerben eine Einzelausgabe des ZEIT E-Papers in unseren E-Paper-Apps. Diese bieten mittlerweile einen komfortablen Lesemodus an. Wir bieten die E-Paper-App für iPad sowie Android-Tablet u. –Phone, Kindle Fire Tablet u. –Phone sowie Windows an. Eine Übersicht erhalten Sie hier https://premium.zeit.de/zeit-apps

    5. Copylick: Mittlerweile sind wir von Copyclick auf iKiosk gewechselt. Bei iKiosk finden Sie uns hier https://www.ikiosk.de/shop/epaper/die-zeit.html (=E-Paper Einzelverkauf inkl. Lesemodus für Desktop, Tablet und Smartphone für 3,99 €)

    Ich hoffe, dass ich Ihnen mit den Antworten nun ein wenig weiterhelfen konnte und würde mir sehr wünschen, wenn Sie sich bei weiteren Anmerkungen an uns wenden würden (apps@zeit.de).

    Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,
    Ihr ZEIT Digital Team

  4. Mittlerweile ist es April 2017, aber leider ist man bei Zeit digital noch nicht sehr weit gekommen mit dem Vorhaben, auch einzelne Ausgaben als ePub anzubieten..

    • Annika Terworth

      30. August 2018 — 09:00

      Ach wie herrlich, dass das mal jemand davon geschrieben hat, was mich auch schon so geärgert hat. Warum um Himmels Willen kann man nicht einfach wie die Druckausgabe Einzelausgaben kaufen? Mehr wollen wir doch gar nicht. Ich habe schon einige Probeabos hinter mir, im normalen Alltag fehlt mir leider die Zeit, die „Zeit“ regelmäßig zu lesen und das Geld sitzt leider auch nicht so locker, dass ich mir ein dauerhaftes Abo leisten möchte/ könnte. Während der Stillzeit meines zweitens Sohnes habe ich im Probeabo angenehm auf dem Smartphone einhändig die Zeit lesen können. Einzelausgaben digital über die App oder sobst wie im lesbaren Format- auch im August 2018 ist das immer noch nicht möglich… warum nur? Würde der Verlag doch nur einen Funken der Klugheit, die sie für Ihre sehr guten Inhalte zur Verfügung haben auf die Verfügbarkeit dieser Funktion verwenden…. Toll wäre es.

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