Es war das große Gesprächsthema der letzten Leipziger Buchmesse: Wer würde sich wohl die deutschsprachigen Rechte an dem finnischen Überraschungserfolg sichern? Dass es am Ende die rührigen Menschen dieses kleinen Sprockhöveler Verlags werden würden, hat wohl keiner geahnt. Es steht zu vermuten, dass der Verlagsstand auf der kommenden Frankfurter Buchmesse zu den Hotspots gehören und das Buch die Bestsellerlisten in Deutschland ebenso durcheinanderwirbeln wird, wie es das schon letztes Jahr in Schweden getan hat.
Kategorie: Allgemein
The Class of ’69
Teile meiner Twitter-Timeline gehen seit kurzem steil auf schicke Kleider. Als serviceorientierter Mitmensch greife ich das Thema natürlich dankbar auf. Und als Vintage-Liebhaber sage ich: Wenn’s schön sein soll, müsst ihr nach früher kucken.
Zum Beispiel ins Jahr 1969. In die Kataloge von Neckermann und Witt Weiden.
Das kann man kaum besser machen, oder?
(Wer es noch einmal hochauflösend mag, der klicke bitte hier.)
Wie ich einmal die ZEIT kaufen wollte (Artikel enthält Abschweifungen)
Vor kurzem schrieb Christian Buggisch über seine Erfahrungen mit einem anderen Verlagshaus:
Alle diskutieren über die Zukunft des Journalismus, über Digitalstrategien von Verlagshäusern und drehen das ganz große Rad. Dabei scheitern Leserbindung und Kundenzufriedenheit daran, woran sie schon immer gescheitert sind: an Werbung, die einen für dumm verkaufen will, und an beschissenem Service.
Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen. Höchstens dies:
Da lag ich also fiebernd im Bett, mit dem E-Reader in der Hand und dem Smartphone neben mir, und dachte: Jetzt die ZEIT lesen, ohne das Bett verlassen zu müssen – das wäre prima! Dass es die ZEIT im EPUB-Format gibt, wusste ich, seit mir vor langer Zeit einmal ein Exemplar in einer dunkleren Ecke des Netzes über den Weg gelaufen war. Aber jetzt war alles anders, jetzt wollte ich mir gerne eine nagelneue Ausgabe kaufen, also richtig Geld ausgeben, auf dass die Klagen der Verlage ein wenig leiser an mein empfindsames Ohr drängen mögen.
Und weil wir das Jahr 2014 schreiben, stellte ich mir das ganz leicht vor: Mit dem Smartphone bezahlen, Datei runterladen und via Cloud oder Bluetooth auf den Reader schieben. Fertig.
Nun ja. Was folgte, war eine lange Reihe von Dafuq-Momenten:
Es begann damit, dass die Mobilansicht von zeit.de keinerlei Links zu Kaufangeboten beinhaltet. Erstaunlich. Ich vermute, das diese Entscheidung das Ergebnis einer hochgeheimen Marktanalyse ist, die besagt, dass Mobilnutzer ohnehin zu wenig kaufkräftig sind, um sie mit kostenpflichtigen Angeboten zu belästigen.
Später musste ich allerdings feststellten, dass ich etwas übersehen hatte: Ein Werbebanner! The most ignored Werbeform on the wordwide Internetz! Ernsthaft: Es gibt ein wechselndes Werbebanner am oberen Rand von zeit.de. Und wenn man die Seite nur oft genug aktualisiert, erscheint irgendwann auch mal ein Banner für „Die digitale Zeit“. Nur mal nachgefragt: Wann haben Sie sich denn zuletzt Werbebanner aufmerksam angesehen und vielleicht sogar draufgeklickt?
(Ich schweife mal kurz ab: Ein anderer, sporadisch erscheinender Werbebanner verweist auf shop.zeit.de. Diese Seite bringt meinen Browser (Safari unter iOS 7.1) zuverlässig und hundertprozentig reproduzierbar zum Absturz.)
Die fehlenden Links sind für geübte Googler kein Problem: Eine Suche nach „zeit ebook“ empfiehlt als ersten Treffer www.zeit.de/angebote/ebook. Diese Seite sieht am Smartphone so aus:
Probieren wir also den zweiten Google-Treffer namens premium.zeit.de. Und tatsächlich, auf dieser Seite, die es offenbar nur im Desktop-Layout gibt, bin ich richtig: „Die ZEIT für E-Reader“ wird mir da angeboten.
Allerdings möchte man mir die Zeitung in diesem Format nur verkaufen, wenn ich ein Abo abschließe. Einzelausgaben bietet man ausschließlich als PDF an, im original ZEIT-Layout. Dieses Format ermögliche, so wird behauptet, einen „bequemen Lesemodus“. O Rly? Eine Zeitung mit dem Maßen einer durchschnittlichen Hamburger Wohnküche, mit teilweise fünfspaltigem Layout, mit eingestreuten Infografiken und -kästen, mit „Lesen Sie bitte auf Seite XX weiter“-Unterbrechungen, eine solche Zeitung also auf einem deutlich kleineren Display zu lesen, soll „bequem“ sein? Please!
In der Hoffnung dass man vielleicht doch irgendwo ein Häkchen für EPUB setzen könne, klicke ich auf das (Sie ahnen es bereits:) Werbebanner. War aber nix. Über eine nur so mittelschön aussehende Seite werde ich zum Paypal-Bezahlvorgang weitergeleitet.
Dort finden sich so rätselhafte Sätze wie „Wenn Sie die Ausgabe am Monitor durchblättern möchten, wählen Sie bitte auf der Bestellbestätigungsseite von Paypal die Funktion “zurück zum Anbieter”.“ Und überhaupt wirkt der gesamte Bestellvorgang so lieblos und nachlässig zusammengeklöppelt, dass es kaum verwundert, den Auftritt nicht in den Referenzen der betreuenden Agentur wiederzufinden. Die ZEIT verwendet, um noch einmal abzuschweifen, das Abwicklungssystem Copyclick der Hamburger Firma Picturesafe (einen „Eckpfeiler moderner Vertriebsstrategie“) und ist offenbar deren letzter verbliebener Kunde, während die Webseiten des Anbieters bereits abgeschaltet wurden oder zum Kauf angeboten werden. Und ganz leise huscht ein Tumbleweed durchs Bild.
Um es noch einmal zusammenzufassen: Die ZEIT will mir eine digitale Einzelausgabe nur im denkbar ungeeignetsten Format verkaufen, obwohl es Alternativen gibt. In benutzbarer Form bekommt man die Zeitung jedoch nur, wenn man ein Abo abschließt. Wäre das nicht auch eine schöne Idee für die Offline-Ausgabe? Einzelexemplare werden künftig in Comic Sans gesetzt, Garamond gibts nur für Abonnenten? Nicht?
Da ich grundsätzlich daran glaube, dass es für die meisten Handlungen der Menschen einen Grund gibt, versuche ich stets, solche Phänomene nicht sofort mit „allgemeiner Beklopptheit“ zu erklären. Stattdessen suche ich nach den Motiven. Aber hier bin ich ratlos. Glaubt man, mich auf diese Art für ein Abo zu begeistern? Ist man so stolz auf das Layout, dass man den Inhalt nicht von ihm trennen mag? Braucht man dahergelaufene Spontankäufer wie mich vielleicht gar nicht?
Ich weiß es nicht. Aber ich habe hier vier Euro. Also, liebe Verantwortliche der ZEIT: Was soll ich damit tun?
Nachtrag, 23.10.14
In den Kommentaren wurde ich auf die Zeit-App hingewiesen, und in der Tat hatte ich diesen Aspekt vergessen zu erwähnen: Natürlich hatte ich mir die App installiert, in der Hoffnung, darüber die gewünschte Ausgabe kaufen zu können, was aber ebenfalls nicht klappte, denn die App zeigt im Grunde nichts anderes als die Website an, nur halt nicht im Browser. In-App-Käufe sind nicht möglich. Die Sinnhaftigkeit einer solchen App ist wieder ein ganz eigenes Thema, das ich hier nicht vertiefen möchte.
Nun musste ich lernen, dass man einfach die „richtige“ App installieren muss. Und tatsächlich ist im App Store noch eine alte Version verfügbar, deren Benutzung nicht mehr empfohlen wird („Wir empfehlen Lesern von ZEIT ONLINE den Umstieg auf die neue ZEIT ONLINE App“, heißt es dazu) und die den Kauf & Download der Zeitung in einem Format ermöglicht, das auf iPhone und iPad sehr komfortabel zu lesen ist. Das ist zwar nicht exakt, was ich wollte, aber immerhin.
Nur mein Logikmodul sprüht mal wieder Funken: Warum, zum Henker, bringt man eine neue App heraus und nimmt ihr die einzige umsatzbringende Funktion der bisherigen App? Ganz abgesehen davon, dass die alte App insgesamt deutlich mächtiger und umfangreicher daherkommt: Welcher Gedanke steckt dahinter, eine funktionierende Bezahloption mal eben ersatzlos zu streichen? Ich verstehe das alles nicht.
Nachtrag, 24.10.14
Ich musste doch kurz lachen: Da mich die Frage umtrieb, warum die ZEIT nicht im hauseigenen Webshop vertrieben wird, zusammen mit den Dutzenden anderen eBooks, die dort erhältlich sind, schaute ich mich in besagtem Webshop mal ein wenig um: Für alle eBooks (!) bedingt man sich „Lieferzeit 5 – 10 Tage“ aus. Die Angabe einer postalischen Lieferanschrift ist Pflicht. Aber immerhin ist die Lieferung versandkostenfrei und erfolgt mit DHL.
Naja, muss ja jeder selber wissen.
amazon.de verkauft weiterhin antisemitische Literatur von Holocaustleugnern
Nehmen wir einmal an, bei Ihrem Lieblingsbuchhändler würden Sie plötzlich merkwürdige Dinge im Regal entdecken. Revisionistische Literatur, antisemitische Verschwörungstheorien, verklärende Erinnerungen von SS-Offizieren, Bücher, in denen der Holocaust bestritten wird. Und nicht nur das: Der Händler würde Ihnen ungefragt weitere, ähnliche Bücher empfehlen und ließe dazu andere Kunden zu Wort kommen, die sich überschwänglich äußerten über diese Machwerke.
Was würden Sie tun? Weiterhin dort einkaufen? Oder würden Sie diesem Laden stattdessen final auf die Fußmatte kotzen und ihn künftig nie wieder betreten?
Interessante Frage. Aber kommen wir nun zu etwas ganz anderem. Kommen wir zu Amazon.
Bei Amazon können Sie eine Vielzahl an Büchern des oben genannten Themenspektrums kaufen. Dieser Vorwurf ist nicht neu. Bereits vor fünf Jahren schrieben zahlreiche Medien darüber; die Zeit und das Handelsblatt seien beispielhaft genannt. Damals sah sich Amazon aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, zumindest die Bücher des NPD-Verlages „Deutsche Stimme“ auszulisten. Echte Lehren schien man jedoch nicht gezogen zu haben, denn im vergangenen Jahr kam das Thema erneut auf (Beispiele: Stern, Ruhrbarone). Amazons Verteidigung beruhte dabei stets auf zwei Argumenten:
- „Es gibt eine Nachfrage dafür, die wollen wir befriedigen.“ (O-Ton gemäß Handelsblatt)
- Amazon ist „nicht der Anbieter von Produkten, die von Dritten über den Amazon.de Marketplace angeboten werden, sondern stellt dafür lediglich die Plattform zur Verfügung.“ (O-Ton gemäß den Ruhrbaronen)
Das erste Argument mag jeder für sich bewerten. Das zweite Argument ist eine Lüge stammt aus der beliebten Kategorie „Überspezifisches Dementi“: Mag ja sein, dass man den Marketplace nicht vollständig kontrollieren kann. Dort muss man aber gar nicht hingehen, um den Rotz zu finden. Ich möchte das mit einigen Beispielen verdeutlichen, die eben nicht aus dem Marketplace stammen, sondern durchweg aus dem Amazon-eigenen Sortiment. Im Klartext: Nicht ominöse „Dritte“ sind es, die diese Bücher anbieten, sondern Amazon selbst. Und zwar, um genau zu sein, amazon.de. Die Screenshots stammen vom 9. und 10. Juli 2014; ein Klick auf die Vorschaubilder vergrößert sie.
Los geht’s:
Der Autor dieses Buches ist ein rechtskräftig verurteilter Holocaustleugner (Quelle), das Buch erscheint im Eigenverlag (Quelle). Es ist nicht das einzige Buch dieses Verlages, das Amazon in seinem Sortiment führt. Und niemand soll bitte angesichts der Titel sagen, dass man ja nicht ahnen könne, was sich dahinter verbirgt:
Wie man erkennt, sind alle Bücher lagernd verfügbar. Dieses hier zum Beispiel auch:
Und weiter:
Dieser Autor ist ein ehemaliger NS-Funktionär, über den Wikipedia schreibt, dass seine Publikationen „durchzogen [sind] vom Antisemitismus völkisch-nationalistischer Propaganda, der Weißwäsche von Wehrmacht und Waffen-SS sowie anderer NS-Organisationen. [Sie] bilden auch heute noch einen festen Bezugspunkt für Rechtsextremisten.“ Der Verlag wurde vom ehemaligen stellvertretenden Reichspressechef der NSDAP gegründet; die übergeordnete Verlagsgesellschaft wird vom Verfassungsschutz „als einer der bundesweit größten und wichtigsten organisationsunabhängigen rechtsextremistisch geprägten Verlage“ bezeichnet, ihr Geschäftsführer wurde wegen Volksverhetzung verurteilt (Quelle). Für Amazon kein Grund, die Werke dieses Verlages nicht im Sortiment zu führen:
Reicht es schon? Oh nein:
Auch dieser Autor hat sich als Holocaustleugner hervorgetan (Quelle). Eines seiner Bücher wurde von der BPjM indiziert, was Amazon allerdings nicht davon abhält, dem Autor weiter Umsätze zu bescheren. Da ist sogar der Nazi überrascht:
Und er irrt, denn natürlich siegt die „Gier der Kapitalisten“ über das, war er „politische Zensur“ nennt: Amazon hat den nicht verfügbaren Artikel offenbar flugs nachbestellt.
War es das? Noch lange nicht. Ein weiteres Beispiel:
Zur Abwechslung mal ein Autor aus der katholischen Fundamentalistenszene (Quelle). Welcher ethnoreligiösen Gruppe die angeblichen Satanisten überwiegend angehören – ich glaube, da kommen Sie selbst drauf. Und die Tatsache, dass dieses Buch in Frankreich als antisemitisch indiziert ist, hindert Amazon noch lange nicht daran, es als eBook in seine Kindle Edition aufzunehmen.
„Nur noch 1 auf Lager (mehr ist unterwegs).“
Um es noch einmal klar zu sagen: Wir reden hier nicht über ein paar wirre Verschwörungstheoretiker, die man der Vielfalt wegen im Sortiment hat. Wir reden auch nicht über den Marketplace, für den Amazon nur die Abwicklungsplattform bietet und auf dem schon mal was durchflutschen kann. Und wir reden nicht über Amazon US, bei denen die Toleranz gegenüber Inhalten, die hierzulande wenigstens unter Strafbarkeitsverdacht stehen, erfahrungsgemäß größer ist.
Nein, wir reden davon, dass Amazon Deutschland selbst und auf eigene Rechnung antisemitische und den Holocaust leugnende Bücher verkauft. Die oben gezeigten Exemplare sind lediglich Beispiele. Amazon selbst bezieht diese Bücher und ordert bei entsprechender Nachfrage auch gerne nach. Amazon selbst legt die Bücher in sein eigenes Lager. Amazon selbst packt sie ins Paket und macht, wenn der Kunde es wünscht, auch noch eine schicke Schleife darum und legt eine Grußkarte bei. Und wenn es arg pressiert, sorgt Amazon selbst dafür, dass das Buch per Express geliefert wird.
Über eine mögliche Strafbarkeit solchen Tuns möchte ich nicht spekulieren. Ich bin juristischer Laie und weiß nicht, ob die Verbreitung derartiger Machwerke erlaubt ist. Ich weiß auch nicht, ob die Forenhaftung für Amazon-Kundenrezensionen greift. Das ist mir auch relativ egal. Unabhängig von juristischen Fragen habe ich mit Blick auf mein künftiges Kaufverhalten jedoch ein ganz persönliches Fazit gezogen.
Und ich wünschte, Sie würden das auch tun.